Obwohl die Diskussion ums Gendern mehr als präsent ist, scheint gendergerechte Sprache in Romanen bisher kaum eine Rolle zu spielen. Warum eigentlich?
Denn gerade Romane sind wunderbar dafür geeignet, mit Sprache zu experimentieren und kreativ zu sein. In der Realität wird immer mehr gegendert, und dieser gesellschaftliche Wandel sollte sich auch in Romanen widerspiegeln. Hauptbestandteile des Schreibens sind Kreativität und das Spielen mit Sprache – darum eignen sich Romane perfekt dafür, auch diesen Aspekt der Sprache auszutesten.
Die Sorge, dass skeptische Leser*innen durch gendergerechte Sprache abgeschreckt werden, halte ich für unbegründet – wenn du elegant genderst und deinen Roman nicht einfach mit Sternchen bestäubst. Wie das gelingt, ohne dass dein Text schwerfällig oder kompliziert wird, zeige ich dir in diesem Beitrag.
Deine Werkzeuge für einen gendergerechten Roman
Für deinen gendergerechten Roman stehen dir verschiedene Werkzeuge zur Verfügung, die ich dir im Folgenden vorstelle. Als Grundvoraussetzung solltest du Personen präzise benennen. So ist eine weibliche Person eine Ärztin, und aktive Frauen solltest du nicht als Bergsteiger (sondern als Bergsteigerinnen) bezeichnen. Wenn du nicht über konkrete Personen schreibst, hast du verschiedene Optionen, um das Geschlecht offenzulassen.
Dabei gibt es Werkzeuge, die nur zwei Geschlechter einschließen (zum Beispiel die Doppelnennung), Sonderzeichen, die alle Geschlechtsidentitäten umfassen, und genderneutrale Begriffe. Diese Unterscheidung solltest du bei deiner Entscheidung für deine Gender-Werkzeuge berücksichtigen. Du musst dich übrigens nicht für eine Variante entscheiden, sondern darfst beim Gendern in deinem Roman mehrere Stilmittel miteinander kombinieren.
Werkzeuge für geschlechtergerechte Sprache in deinem Roman:
Doppelnennung (Kellnerinnen und Kellner)
Sonderzeichen (Schüler*innen, Richter:innen, Handwerker_innen)
Genderneutrale Begriffe (Fachkraft, Ansprechperson)
Bevor wir uns die verschiedenen Optionen genauer anschauen, noch ein Hinweis: Ob und in welchem Ausmaß du in deinem Roman genderst, hängt auch vom Setting ab. In einem historischen Roman kann das Gendersternchen irritierend wirken, während neutrale Begriffe problemlos verwendet werden können (insofern sie in die jeweilige Zeit passen). Spielt dein Roman in der Gegenwart, kannst du alle aktuell gängigen Genderformen nutzen.
Geschlechtsneutrale Begriffe verwenden
Dein erstes Werkzeug sind genderneutrale Begriffe. Einige dieser Personenbezeichnungen kennst du sicher schon, zum Beispiel Studierende statt Studenten, Pflegekraft statt Pfleger oder Krankenschwester und Personalgespräch statt Mitarbeitergespräch.
Bei anderen Begriffen ist die Alternative nicht gleich offensichtlich. Hier darfst du kreativ werden. So kannst du statt den Experten die Profis nach Tipps für Anfänger – oder Menschen ohne Vorkenntnisse – fragen.
Elegante gendergerechte Formulierungen ohne Personen
Häufig kannst du umformulieren, indem du Verben statt Nomen verwendest oder die handelnde Person weglässt. Wenn es in einem Satz nicht um eine bestimmte Person geht, musst du sie nicht erwähnen. Beschreibe stattdessen die Handlung.
Den folgenden Satz kannst du elegant umformulieren: Die Museumsbesucher dürfen keine Speisen mitbringen. Hier ist es nicht notwendig, die Personen zu nennen. Daher sind folgende Varianten ebenso möglich: Wer das Museum besucht, darf keine Speisen mitbringen. Ins Museum dürfen keine Speisen mitgebracht werden.
Stelle Sätze um, überdenke deine Formulierungen und sei kreativ!
Sonderzeichen als gendergerechte Ergänzung in deinem Roman nutzen
Für manche Begriffe gibt es keine gendergerechte Alternative, die du in deinem Roman nutzen kannst. Auch Umformulierungen sind nicht immer möglich. Für solche Fälle solltest du dich für ein Sonderzeichen entscheiden, das du dann konsequent in deinem kompletten Roman verwendest.
Zur Auswahl stehen zum Beispiel das Gendersternchen, der Doppelpunkt und der Unterstrich. Eine weitere Möglichkeit ist das Binnen-I. Alle Varianten haben Besonderheiten, die du beachten solltest.
Ich empfehle dir, diese Sonderzeichen in deinem Roman sparsam und sinnvoll einzusetzen. Da Gendern in Romanen bisher eher unüblich ist, können vor allem Gendersternchen und Co. deine Leser*innen irritieren – und das ist gar nicht nötig, da es tolle Alternativen gibt! Deshalb überlege genau, ob dir statt des Sonderzeichens nicht eine andere gendergerechte Variante einfällt.
Gendern in Dialogen im Roman
Erst durch Dialoge wird dein Roman lebendig, wenn deine Charaktere miteinander interagieren. Wenn du in deinem Roman gendern willst, solltest du für alle darin vorkommenden Personen entscheiden, ob sie beim Sprechen gendern oder nicht. Ich empfehle, nicht alle Charaktere gendern zu lassen – das könnte künstlich und gezwungen wirken. Denn in der Realität nutzen bisher eher wenige Personen im Gespräch geschlechtergerechte Sprache. Triff daher für alle Figuren eine individuelle Entscheidung, welcher Stil zu ihnen passt, und schreibe die Dialoge entsprechend.
Geschlechter-Klischees in deinem Roman vermeiden
Um deinen Roman gendergerecht zu schreiben, solltest du darüber hinaus darauf achten, Klischees und Stereotypen zu vermeiden. Spiele mit „typisch“ männlichen und weiblichen Eigenschaften. Lass deinen Protagonisten schüchtern sein und deine Hauptdarstellerin technikbegeistert. Schreibe über eine zurückhaltende, empathische Führungskraft, die ein bunt zusammengewürfeltes Team leitet. Es ist dein Roman – du entscheidest!
Gelungene Beispiele für genderneutrale Romane
Auch wenn sie (noch) selten sind, es gibt sie doch: Romane, in denen Wert auf gendergerechte Sprache gelegt wird. Ein Beispiel ist der Zukunfts-Thriller Paradise City von Zoë Beck, die komplett auf das generische Maskulinum verzichtet.
Mit Wasteland haben Judith C. Vogt und ihr Mann Christian Voigt ein Experiment gewagt: Würde es ihnen gelingen, einen kompletten Roman in geschlechtergerechter Sprache zu schreiben? Die Autorin selbst berichtet von einer großen Freude, sich kreativ auszutoben und wertvolle Erfahrungen zu sammeln. Wenn du dich von dieser Herangehensweise inspirieren lassen willst, lies gern ihren Beitrag über die Entstehung von Wasteland.
Die Autorin Alicia Zett verwendet in ihrem Roman Not your Type konsequent genderneutrale Formulierungen. Das macht sie aber gar nicht zum Thema, sondern lässt ganz natürlich verschiedene Geschlechtsidentitäten in ihre Geschichten einfließen.
Fazit: Du kannst in deinem Roman gendern, ohne Leser*innen zu verlieren
Ob du deinen Roman gendergerecht schreiben möchtest, ist am Ende deine persönliche Entscheidung und Teil deiner künstlerischen Freiheit. Ich empfehle dir auf jeden Fall, soweit es möglich ist, genderneutrale Formulierungen und präzise Personenbezeichnungen zu nutzen. Wie du gesehen hast, kannst du einen gendergerechten Roman schreiben, ohne ihn durch Sonderzeichen unlesbar zu machen.
Falls du bei einer bestimmten Formulierung nicht weiterweißt oder dir insgesamt Unterstützung beim Gendern deines Romans wünschst, schreib mir gern eine Nachricht!
Quellen:
Deutschlandfunk: https://www.deutschlandfunk.de/gendergerechter-roman-aus-fuer-das-generische-maskulinum-100.html
RedaktionsNetzwerk Deutschland https://www.rnd.de/kultur/gendern-in-der-literatur-wie-die-branche-damit-umgeht-73N2CO2PBG7SNVKEU6CJTEXC6Y.html